Verfahrensinformation



Die Klägerin begehrt vom Bundeskartellamt Informationenzugang in Kartellverwaltungsverfahren zu Entgelten für electronic cash-Zahlungen. Sie betreibt bundesweit Tankstellen, an denen ihre Kunden mit der Girocard bargeldlos bezahlen können. Für die Autorisierung dieser Zahlungen erheben die kartenausgebenden Banken ein Entgelt je durchgeführter Transaktion. Die Höhe des Entgelts wurde bis November 2014 durch eine Preisvereinbarung der Beigeladenen zu 1. bis 4. festgelegt. Wegen dieser Absprache leitete das Bundeskartellamt 2011 ein Kartellverfahren gegen die Beigeladenen ein. Das Verfahren endete mit ihren Verpflichtungserklärungen, die Entgelte für electronic cash-Zahlungen künftig individuell auszuhandeln. Die Verpflichtungserklärungen erklärte das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 8. April 2014 für verbindlich.


Die Klägerin beantragte beim Bundeskartellamt erfolglos die Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts. Das Verwaltungsgericht Köln gab der daraufhin erhobenen Klage überwiegend statt. Die Berufung der beklagten Bundesrepublik Deutschland und der Beigeladenen zu 3. hatte im Wesentlichen Erfolg. Der Anspruch auf Einsicht in den ungeschwärzten Beschluss vom 8. April 2014 folge aus dem vorrangigen § 56 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und nicht aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Über diese Anspruchsgrundlage habe es entscheiden dürfen, weil eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz aufgrund des einheitlichen Streitgegenstands gegeben sei. § 56 Abs. 5 GWB sei zwar erst während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten. Für Verpflichtungsbegehren sei aber die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Die Klägerin habe auch ein berechtigtes Interesse an dem Zugang zum streitbefangenen Beschluss des Bundeskartellamts dargelegt. Sie wolle den Bescheid des Bundeskartellamts vom 8. April 2014 für ein laufendes zivilrechtliches Schadensersatzverfahren nutzen. Es bestehe kein Grund für die Versagung der Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts mit Ausnahme der der Angaben, die die Sicherheitsvorkehrungen bei der PIN-Eingabe beim jeweiligen Händler im Rahmen einer electronic cash-Transaktion beträfen. Der Ausschluss des Informationszugangs sei in der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen begründet.


Gegen das Urteil wenden sich die Klägerin und der Beigeladene zu 3. jeweils mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision.


Pressemitteilung Nr. 33/2025 vom 30.04.2025

Einsicht in Unterlagen des Bundeskartellamts zu Entgelten für electronic cash-Zahlungen

Das Bundeskartellamt ist verpflichtet, der Klägerin Einsicht in die nichtöffentliche Fassung eines kartellrechtlichen Beschlusses zu gewähren. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin betreibt bundesweit Tankstellen, an denen ihre Kunden mit der Girocard bargeldlos bezahlen können. Für die Autorisierung dieser Zahlungen erheben die kartenausgebenden Banken ein Entgelt. Dessen Höhe wurde bis 2014 durch eine Preisvereinbarung mehrerer Beigeladener festgelegt. Wegen dieser Absprache leitete das Bundeskartellamt ein Kartellverfahren gegen diese Beigeladenen ein. Das Verfahren endete mit ihren Verpflichtungserklärungen, die Entgelte für electronic cash-Zahlungen künftig individuell auszuhandeln. Die Verpflichtungserklärungen erklärte das Bundeskartellamt mit dem verfahrensgegenständlichen Beschluss vom 8. April 2014 für verbindlich.


Die Klägerin beantragte ohne Erfolg beim Bundeskartellamt, ihr vollständige Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts sowie verschiedene Dokumente aus den ihm zugrundeliegenden und weiteren Kartellverwaltungsverfahren zu gewähren, und erhob beim Verwaltungsgericht Klage. Außerdem macht die Klägerin in einem zivilgerichtlichen Verfahren Schadensersatzansprüche gegen mehrere Beigeladene geltend, weil sie aufgrund kartellrechtswidriger Preisabsprachen überhöhte Entgelte für die Zahlungen mit der Girocard habe entrichten müssen. Das Landgericht wies diese Klage ab. Die Berufung ist beim Kammergericht anhängig. Das Verwaltungsgericht hat der Klage auf Informationszugang nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) überwiegend stattgegeben. Unter Abänderung dieses Urteils hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, der Klägerin gemäß dem zwischenzeitlich geänderten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unter teilweiser Auslassung von Angaben und unter Schwärzung von personenbezogenen Daten Einsicht in die sonst ungeschwärzte nichtöffentliche Fassung des Beschlusses des Bundeskartellamts zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 3. gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Als Rechtsmittelgericht war dem Senat die Prüfung des von dem Beigeladenen zu 3. bestrittenen verwaltungsgerichtlichen Rechtswegs verwehrt. Ein Anspruch der Klägerin auf Informationszugang folgt aus § 56 Abs. 5 GWB als vorrangiger Regelung zum IFG. Diese während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene bereichsspezifische Regelung zum Informationszugang, die die Einsicht bei Vorliegen eines berechtigten Interesses in das Ermessen des Bundeskartellamts stellt, verstößt weder gegen Vorschriften der Europäischen Union noch gegen nationales Verfassungsrecht. Der Anspruch nach § 56 Abs. 5 GWB besteht neben Offenlegungsansprüchen, die im Rahmen gerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen vorgesehen sind. Für die Beurteilung des Anspruchs ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz maßgeblich. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse für die Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts dargelegt. Sie möchte den Bescheid für das von ihr betriebene zivilrechtliche Schadensersatzverfahren nutzen. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, ein Grund für die Versagung der Einsicht in den Beschluss bestehe nur hinsichtlich der Angaben zu Sicherheitsvorkehrungen während der electronic cash-Transaktion, sind nicht zu beanstanden. Auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, nur die Gewährung der Einsicht im Übrigen erweise sich als eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, begegnet keinen bundesrechtlichen Bedenken. Schließlich hat das Oberverwaltungsgericht den geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in verschiedene weitere Dokumente aus Kartellverwaltungsverfahren ohne Verstoß gegen revisibles Recht verneint. Soll die Akteneinsicht der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines kartellrechtlichen Verstoßes dienen, begrenzt § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB die Einsicht auf bestimmte Entscheidungen des Bundeskartellamts, hier den Beschluss vom 8. April 2014.


BVerwG 10 C 2.24 - Urteil vom 30. April 2025

Vorinstanzen:

VG Köln, VG 13 K 10050/17 - Urteil vom 09. Juli 2020 -

OVG Münster, OVG 15 A 2286/20 - Urteil vom 08. Januar 2024 -


Urteil vom 30.04.2025 -
BVerwG 10 C 2.24ECLI:DE:BVerwG:2025:300425U10C2.24.0

Einsicht in Unterlagen des Bundeskartellamts

Leitsätze:

1. § 17a Abs. 5 GVG findet keine Anwendung, wenn das erstinstanzliche Gericht oder das Berufungsgericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG und trotz Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs durch einen Beteiligten verfahrensfehlerhaft erst im angefochtenen Urteil entschieden haben. Eine solche Rüge verlangt aber das ausdrückliche Bestreiten des Rechtswegs, das bloße Anzweifeln genügt nicht.

2. Die Regelung über die Akteneinsicht gemäß § 56 Abs. 5 GWB ist eine abschließende und gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz vorrangige Regelung.

3. § 56 Abs. 5 GWB setzt nicht die Kartellschadensersatzrichtlinie um. Diese erfasst keine Offenlegung von Unterlagen aus Behördenakten außerhalb einer Schadensersatzklage.

4. Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 56 Abs. 5 Satz 1 GWB ist dargelegt, wenn die Einsicht in Verfahrensakten des Bundeskartellamts der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen dient. Eine weitergehende, auf einzelne Passagen einer Entscheidung des Bundeskartellamts bezogene Darlegungslast sieht § 56 Abs. 5 GWB nicht vor.

5. § 56 Abs. 4 GWB schützt Geschäftsgeheimnisse in Orientierung an § 2 Nr. 1 GeschGehG.

  • Rechtsquellen
    GWB §§ 33g, 56 Abs. 2, 4 und 5, § 89c
    GeschGehG § 1 Abs. 2, § 2 Nr. 1
    GVG § 17 Abs. 2 Satz 1, § 17a Abs. 3, 4 und 5
    IFG § 1 Abs. 3
    Kartellschadensersatzrichtlinie Art. 5, 6, 21 und 22 Abs. 1
    GrCh Art. 47

  • VG Köln - 09.07.2020 - AZ: 13 K 10050/17
    OVG Münster - 08.01.2024 - AZ: 15 A 2286/20

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 30.04.2025 - 10 C 2.24 - [ECLI:DE:BVerwG:2025:300425U10C2.24.0]

Urteil

BVerwG 10 C 2.24

  • VG Köln - 09.07.2020 - AZ: 13 K 10050/17
  • OVG Münster - 08.01.2024 - AZ: 15 A 2286/20

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2025 durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Rublack, die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schemmer, Dr. Günther, Dr. Löffelbein und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Bähr für Recht erkannt:

  1. Die Revisionen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3 werden zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin und der Beigeladene zu 3 je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1, 2, 4 bis 7 sind nicht erstattungsfähig.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt Einsicht in Unterlagen des Bundeskartellamts zu Entgelten für electronic cash-Zahlungen.

2 Die Klägerin betreibt bundesweit Tankstellen, an denen ihre Kunden mit der Girocard bargeldlos bezahlen können. Für die Autorisierung dieser Zahlungen erheben die kartenausgebenden Banken ein Entgelt. Dessen Höhe wurde bis November 2014 durch eine Preisvereinbarung der Beigeladenen zu 1 bis 4 festgelegt. Wegen der Absprache über die Entgelte für electronic cash-Zahlungen leitete das Bundeskartellamt im Jahr 2011 ein Kartellverfahren gegen diese Beigeladenen ein und kündigte an, das einheitliche Händlerentgelt zu untersagen. Das Verfahren endete mit Verpflichtungserklärungen dieser Beigeladenen, die Entgelte für electronic cash-Zahlungen künftig individuell auszuhandeln. Die Verpflichtungserklärungen erklärte das Bundeskartellamt mit Beschluss vom 8. April 2014 für verbindlich.

3 Nachdem die Klägerin beim Bundeskartellamt ohne Erfolg beantragt hatte, ihr vollständige Einsicht in diesen Beschluss sowie verschiedene Dokumente aus den ihm zugrundeliegenden und weiteren Kartellverwaltungsverfahren zu gewähren, hat sie Klage auf Informationszugang erhoben, der das Verwaltungsgericht gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz überwiegend stattgegeben hat.

4 Außerdem macht die Klägerin in einem zivilgerichtlichen Verfahren Schadensersatzansprüche gegen die Beigeladenen zu 1 bis 3 und 5 geltend, weil sie aufgrund kartellrechtswidriger Preisabsprachen überhöhte Entgelte für die Zahlungen mit der Girocard habe entrichten müssen. Das Landgericht Berlin wies diese Klage ab - 16 O 309/17 Kart -. Die Berufung ist beim Kammergericht anhängig - U 5/23 Kart -.

5 Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts und unter Klageabweisung im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 die Beklagte verpflichtet, der Klägerin gemäß dem zwischenzeitlich geänderten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unter teilweiser Auslassung von Angaben und unter Schwärzung von personenbezogenen Daten Einsicht in die sonst ungeschwärzte nichtöffentliche Fassung des Beschlusses des Bundeskartellamts zu gewähren. Der Anspruch auf Einsicht in den ungeschwärzten Beschluss vom 8. April 2014 folge aus § 56 Abs. 5 GWB. Über diese Anspruchsgrundlage habe es entscheiden dürfen, weil eine rechtswegüberschreitende Sach- und Entscheidungskompetenz aufgrund eines einheitlichen Streitgegenstands gegeben sei. § 56 Abs. 5 GWB sei zwar erst während des Berufungsverfahrens in Kraft getreten. Für Verpflichtungsbegehren sei aber die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Das Informationsfreiheitsgesetz sei nicht mehr anwendbar. § 56 Abs. 5 GWB sei eine dem Informationsfreiheitsgesetz vorrangige Regelung. Eine unzulässige Rückwirkung liege nicht vor.

6 Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an dem Zugang zum streitbefangenen Beschluss des Bundeskartellamts dargelegt. Sie habe nachvollziehbar ausgeführt, dass sie diesen Beschluss für ihr laufendes zivilrechtliches Schadensersatzverfahren nutzen wolle. Eine passagengenaue Substantiierung ihres Interesses sei nicht erforderlich. Es bestehe kein Grund für die Versagung der Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts aus Gründen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mit Ausnahme der Angaben in Fußnote 40 des Beschlusses, die die Sicherheitsvorkehrungen bei der PIN-Eingabe beim jeweiligen Händler im Rahmen einer electronic cash-Transaktion beträfen. Die Klägerin habe mit dieser Einschränkung Anspruch auf Gewährung von Einsicht in diesen Beschluss, weil das Ermessen der Beklagten auf Null reduziert sei.

7 Die Klage sei hinsichtlich der begehrten Verpflichtung der Beklagten, Einsicht in weitere Unterlagen zu gewähren, unbegründet. Diene die Akteneinsicht der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines kartellrechtlichen Verstoßes, sei die Einsicht auf bestimmte Entscheidungen des Bundeskartellamts, hier den Beschluss vom 8. April 2014, begrenzt. Der Hilfsantrag bleibe ohne Erfolg.

8 Zur Begründung ihrer Revision führt die Klägerin aus: Das Oberverwaltungsgericht habe zu Recht seine Entscheidungsbefugnis bejaht. Eine Überprüfung seiner Rechtswegzuständigkeit im Revisionsverfahren sei ausgeschlossen. Der während des Berufungsverfahrens in Kraft getretene § 56 Abs. 5 GWB scheide als Anspruchsgrundlage für den Informationszugang aus. Es liege eine unions- und verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung vor. Die Sperrwirkung des § 56 Abs. 5 GWB gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz widerspreche der Zielsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie und der EU-Grundrechtecharta. Die Richtlinie gewähre einen direkten Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber der Wettbewerbsbehörde und verbiete eine rückwirkende Einführung materiell-rechtlicher Vorschriften. Hilfsweise seien hierauf bezogene Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung vorzulegen.

9 Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Januar 2024 die Berufung der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2020 zurückzuweisen
und
die Revision des Beigeladenen zu 3 zurückzuweisen.

10 Der Beigeladene zu 3 beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Januar 2024 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 9. Juli 2020 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen
und
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

11 Der Beigeladene zu 3 trägt vor: Das Oberverwaltungsgericht habe zutreffend entschieden, dass dem Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz das spezialgesetzliche Auskunftsregime des Wettbewerbsrechts entgegenstehe. Das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot stehe dessen Anwendung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Das Verfahren zur Auskunft sei nicht abgeschlossen gewesen. Es fehle auch an einem berechtigten Interesse der Klägerin an dem Informationszugang. Ihre pauschale Behauptung, die Akteneinsicht sei zur Prüfung von Schadensersatzansprüchen erforderlich, genüge nicht. Außerdem stehe einer Einsicht der Ausschlussgrund des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses entgegen. Das Oberverwaltungsgericht habe das dem Bundeskartellamt zustehende Ermessen sowie die Reichweite der Informationsgewährung rechtsfehlerhaft als auf Null reduziert angesehen.

12 Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13 Sie teilt die Auffassung des Beigeladenen zu 3 und vertieft sein Vorbringen.

II

14 Die Revisionen der Klägerin und des Beigeladenen zu 3 sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Das Berufungsurteil beruht nicht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

15 1. Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 hat der Senat als Rechtsmittelgericht gemäß § 17a Abs. 5 GVG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Ziel der Vorschrift ist es zu erreichen, dass nach einer Klärung der Frage der Rechtswegzuständigkeit und einem etwaigen Zwischenverfahren nach § 17a Abs. 4 GVG das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtswegs belastet wird (BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92 - BGHZ 121, 367 <371>; BT-Drs. 11/7030 S. 36 f.). § 17a Abs. 5 GVG findet aber keine Anwendung, wenn das erstinstanzliche Gericht oder das Berufungsgericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG und trotz Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs durch einen Beteiligten verfahrensfehlerhaft erst im angefochtenen Urteil entschieden haben (BVerwG, Beschluss vom 22. November 1997 - 2 B 104.97 - BayVBl. 1998, 603 m. w. N.; BGH, Urteil vom 18. November 1998 - VIII ZR 269/97 - NJW 1999, 651 f.). Eine solche Rüge verlangt indes das ausdrückliche Bestreiten des Rechtswegs, das bloße Anzweifeln genügt nicht (VGH München, Urteil vom 13. September 2006 - 12 BV 06.808 - juris Rn. 27; OVG Magdeburg, Beschluss vom 10. März 2015 - 2 L 2/14 - juris Rn. 17; OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Juni 2019 - 11 LC 121/17 - DVBl. 2020, 707 Rn. 30 ff.).

16 Vorliegend hat kein Beteiligter die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs vor dem Oberverwaltungsgericht ausdrücklich bestritten. Aus dem Protokoll vom 21. November 2023 geht hervor, dass in der mündlichen Verhandlung Fragen zur einschlägigen Anspruchsgrundlage für eine Einsicht in die Unterlagen des Bundeskartellamts, zu einem eigenständigen Streitgegenstand und zur Anwendung von § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG zur Sprache gekommen sind; nach dieser Bestimmung entscheidet das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Ein ausdrückliches Bestreiten des Rechtswegs vermerkt das Protokoll aber nicht. Demnach ist dem Senat die Prüfung des Rechtswegs gemäß § 17a Abs. 5 GVG verwehrt.

17 2. Ohne Bundesrechtsverstoß hat das Oberverwaltungsgericht den geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in Unterlagen des Bundeskartellamts am Maßstab des § 56 Abs. 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in der Fassung der 10. GWB-Novelle vom 18. Januar 2021 mit Wirkung vom 19. Januar 2021 (BGBl. I S. 2) gemessen. Ein Anspruch der Klägerin auf Informationszugang gemäß dem Informationsfreiheitsgesetz scheidet hingegen aus. § 56 Abs. 5 GWB ist eine vorrangige Regelung im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG. Danach gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 VwVfG und des § 25 SGB X vor.

18 a) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird das Informationsfreiheitsgesetz nach § 1 Abs. 3 IFG durch Normen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG abstrakt-identischen sachlichen Regelungsgehalt aufweisen und sich als abschließende Regelung verstehen. Sowohl ausgehend vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 IFG als auch mit Blick auf Sinn und Zweck der Regelung, den Vorrang des Fachrechts gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsrecht zu gewährleisten, ist hierfür maßgeblich, ob die anderweitige Regelung dem sachlichen Gegenstand nach Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen trifft. Darüber hinaus ist ausschlaggebend, ob die andere Regelung diesen Zugang nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein oder doch typischerweise gestattet und an nach dem Informationsfreiheitsgesetz Informationspflichtige adressiert ist. Die anderweitige Regelung muss dem Einzelnen allerdings keinen individuellen, gerichtlich durchsetzbaren Informationszugangsanspruch verleihen (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2020 - 10 C 16.19 - BVerwGE 168, 280 Rn. 9 ff., vom 15. Dezember 2020 - 10 C 24.19 - NVwZ 2021, 642 Rn. 21 und vom 28. Oktober 2021 - 10 C 5.20 - BVerwGE 174, 72 Rn. 14).

19 An diesen Maßstäben orientiert ist § 56 Abs. 5 GWB eine abschließende Regelung. Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts regelt § 56 Abs. 5 GWB den Zugang zu verfahrensbezogenen und damit amtlichen Informationen der Kartellbehörden, die sonst nach dem Informationsfreiheitsgesetz grundsätzlich informationspflichtig sind. Die Vorschrift gewährt den Informationszugang allgemein gegenüber Dritten, die hierfür ein berechtigtes Interesse haben. Nach der Gesetzesbegründung konzipiert sie ein geschlossenes System für die Regelung von Auskunfts- und Akteneinsichtsrechten im kartellrechtlichen Verwaltungsverfahren. Aus der in der Gesetzesbegründung angesprochenen "Notwendigkeit, unabhängig von der jeweiligen Verfahrensart konsistente, umfassende und abschließende Regeln für die Akteneinsicht in Verfahren vor den Kartellbehörden vorzuhalten" (BT-Drs. 19/23492 S. 111), ergibt sich zusammen mit § 89c GWB, dessen Ziel die Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union - ABl. L 349 S. 1 (Kartellschadensersatzrichtlinie) ist (BT-Drs. 18/10207 S. 104), dass das Informationsfreiheitsgesetz neben dem Offenlegungsregime des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht anwendbar sein soll. Sonst verlören diese Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ihre Wirkung (vgl. auch Engelsing, in: MüKo, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 56 GWB Rn. 20; Makatsch/​Kachholdt, in: MüKo, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 89c GWB Rn. 65; Scheuch, in: Berg/​Mäsch, Deutsches und Europäisches Kartellrecht, 4. Aufl. 2022, § 89c GWB Rn. 11; Mäsch, in: Berg/​Mäsch, Deutsches und Europäisches Kartellrecht, 4. Aufl. 2022, § 33g GWB Rn. 44; Schneider, in: Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 14. Aufl. 2022, § 56 GWB Rn. 1; Bornkamm/​Tolkmitt, in: Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 14. Aufl. 2022, § 89c GWB Rn. 20; Bach, in: Immenga/​Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 7. Aufl. 2024, § 56 GWB Rn. 44; Irmscher/​Kranz, NZKart 2020, 525 <526>).

20 b) § 56 Abs. 5 GWB verstößt nicht gegen Unionsrecht.

21 aa) § 56 Abs. 5 GWB setzt nicht die Kartellschadensersatzrichtlinie um. Diese erfasst keine Offenlegung von Unterlagen aus Behördenakten außerhalb einer Schadensersatzklage. Vielmehr bestimmt Art. 6 Abs. 1 der Kartellschadensersatzrichtlinie für die Zwecke von Schadensersatzklagen eine von den nationalen Gerichten angeordnete Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind, und ordnet in diesen Fällen seine Geltung neben Art. 5 der Kartellschadensersatzrichtlinie an, der in Verfahren über Schadensersatzklagen die Anordnung der Offenlegung durch den Beklagten oder Dritte regelt. Art. 6 Abs. 10 der Kartellschadensersatzrichtlinie bestimmt darüber hinaus, dass die nationalen Gerichte die Offenlegung von Beweismitteln nur bei der Wettbewerbsbehörde beantragen sollen, wenn die Beweismittel nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können. Von einer Subsidiarität der Offenlegung aus der Behördenakte gehen auch die Erwägungsgründe 21 und 29 der Kartellschadensersatzrichtlinie aus. Der europäische Gesetzgeber wollte aus Gründen der "Wirksamkeit und Kohärenz der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV durch die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden [...] ein in der ganzen Union einheitliches Konzept für die Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten einer Wettbewerbsbehörde enthalten sind", schaffen. Maßgeblich war dabei insbesondere die Erwägung, durch die "Offenlegung von Beweismitteln [...] die Wirksamkeit der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Wettbewerbsbehörden nicht übermäßig [zu] beeinträchtigen" (Erwägungsgrund 21 der Kartellschadensersatzrichtlinie), weshalb eine "Offenlegung von Beweismitteln durch eine Wettbewerbsbehörde [...] nur dann angeordnet werden [soll], wenn die Beweismittel nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können" (Erwägungsgrund 29 der Kartellschadensersatzrichtlinie).

22 Der Umsetzung von Art. 5 und 6 der Kartellschadensersatzrichtlinie dienen hingegen u. a. §§ 33g und 89c GWB. Sie wurden mit der 9. GWB-Novelle eingeführt (BT-Drs. 18/10207 S. 62 f. und 102 ff.). § 89c GWB regelt unter Bezugnahme auf § 33g GWB, wie Erkenntnisse und Beweismittel aus den Akten der Kartellbehörde in einen Schadensersatzprozess eingeführt werden können (Grave, in: Jaeger/​Kokott/​Pohlmann/​Schroeder/​Seeliger, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand Februar 2025, § 89c GWB Rn. 2 und 7). § 33g GWB ist nach § 89c Abs. 5 Satz 3 GWB aber nicht anwendbar gegen Wettbewerbsbehörden, damit Art. 6 der Kartellschadensersatzrichtlinie nicht umgangen werden kann (BT-Drs. 18/10207 S. 104). Eine Ausnahme besteht nach § 56 Abs. 5 Satz 1 und 3 GWB nur für Entscheidungen nach §§ 32 bis 32d sowie 60 GWB. § 89c Abs. 1 GWB regelt die Möglichkeit des Gerichts, auf Antrag einer Partei die Wettbewerbsbehörde um die Vorlage von Urkunden und Gegenständen in einem Schadensersatzrechtsstreit oder einem Rechtsstreit nach § 33g Abs. 1 GWB zu ersuchen. Dies entspricht Art. 5 und 6 der Kartellschadensersatzrichtlinie.

23 bb) Stellt § 56 Abs. 5 GWB somit keinen zwingenden Umsetzungsakt der Kartellschadensersatzrichtlinie dar, so ist die Vorschrift auch nicht am unionsrechtlichen Rückwirkungsverbot zu messen (zum verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot s. u., Rn. 27).

24 Es liegt auch kein Verstoß gegen die Sonderbestimmung des Art. 22 Abs. 1 der Kartellschadensersatzrichtlinie vor. Danach müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Vorschriften, die nach Art. 21 der Kartellschadensersatzrichtlinie erlassen werden, um deren materiell-rechtlichen Vorschriften zu entsprechen, nicht rückwirkend gelten (EuGH, Urteil vom 22. Juni 2022 ‌- C-267/20 [ECLI:​​EU:​​C:​​2022:​​494], Volvo AB - Rn. 36). Eine Geltung für die Zeit vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie bis zum 27. Dezember 2016 ordnen die GWB-Novellen indes nicht an. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt das Rückwirkungsverbot nicht für Änderungen des nationalen Rechts nach Ablauf der Umsetzungsfrist, die keine Geltung vor diesem Zeitpunkt beanspruchen. Nach Ablauf der Frist für die Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie ist das nationale Recht im Einklang mit jeder ihrer Bestimmungen auszulegen (vgl. EuGH, Urteil vom 18. April 2024 - C-605/21 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​324], Heureka - Rn. 47 f.; vgl. in diesem Sinne auch EuGH, Urteile vom 4. Juli 2006 ‌- C-212/04 [ECLI:​​EU:​​C:​​2006:​​443], Adeneler - Rn. 115 und vom 22. Juni 2022 ‌- C-267/20, Volvo AB - Rn. 33 und 77).

25 cc) Soweit die Klägerin sich für einen wirksamen Rechtsschutz auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Februar 2024 - C-715/20 [ECLI:​​EU:​​C:​​2024:​​139] - (Rn. 9) beruft, lässt sich diesem nichts zu ihren Gunsten entnehmen. Der Gerichtshof hatte in einem arbeitsrechtlichen Verfahren auf die Notwendigkeit eines wirksamen Rechtsbehelfs gemäß Art. 47 GRCh bei der Überprüfung einer Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses hingewiesen und verlangt, dass befristet Beschäftigte nicht schlechter als Dauerbeschäftigte behandelt werden dürfen (vgl. § 4 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist). Eine solche spezifische unionsrechtliche Anknüpfung für einen effizienteren Rechtsschutz findet sich in der Kartellschadensersatzrichtlinie aber nicht.

26 dd) Anlass, dem Europäischen Gerichtshof die von der Klägerin aufgeworfene Frage
"Steht das unionsrechtliche Rückwirkungsverbot, wie es insbesondere aus dem primärrechtlich anerkannten Grundsatz der Rechtssicherheit und aus Art. 22 Abs. 1 der Kartellschadenersatz-Richtlinie folgt, einer nationalen Regelung entgegen, wonach - wie im vorliegenden Fall - ein erstinstanzlich bereits zugesprochener Anspruch des potenziell Geschädigten auf Einsicht in die Verfahrensakte der mitgliedstaatlichen Kartellbehörde nachträglich auf die verfahrensabschließende kartellbehördliche Entscheidung beschränkt wird?"
zur Vorabentscheidung vorzulegen, besteht nicht. Die Voraussetzungen des Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt. Die Frage, ob das unionsrechtliche Rückwirkungsverbot der Anwendung einer während eines laufenden Gerichtsverfahrens geschaffenen und die Rechtsposition eines Beteiligten verschlechternden nationalen Regelung entgegensteht, stellt sich angesichts der dargelegten, offenkundigen unionsrechtlichen Lage nicht. Es bleibt keinerlei Raum für vernünftige Zweifel (acte clair, vgl. EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81 [ECLI:​​EU:​​C:​​1982:​​335], CILFIT - Rn. 16 ff., vom 15. September 2005 - C-495/03 [ECLI:​​EU:​​C:​​2005:​​552], Intermodal Transports - Rn. 33 und vom 6. Oktober 2021 - C-561/19 [ECLI:​​EU:​​C:​​2021:​​799], Consorzio Italian Management -‌ Rn. 39; BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2024 - 10 C 6.23 - NVwZ 2024, 1348 Rn. 17).

27 c) § 56 Abs. 5 GWB und dessen Anwendung durch die Vorinstanz widersprechen nicht Verfassungsrecht. Die von der Klägerin geltend gemachte verfassungswidrige Rückwirkung liegt nicht vor. § 56 Abs. 5 GWB wirkt hier auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft ein. Eine solche unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43). Die bloße Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig fortbestehen, genießt keinen besonderen Schutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 30.15 -‌ Buchholz 404 IFG Nr. 26 Rn. 33 ff.). Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit einer Rechtsänderung ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 43). So liegt es hier nicht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass eine ihr zustehende gefestigte Rechtsposition, die über die Erwartung des Fortbestandes der bisherigen Rechtslage hinausgeht, entwertet worden sei. Auch der von ihr geführte Kartellschadensersatzprozess kommt nicht als schutzwürdige Disposition in Betracht. Der Umstand, dass die Klage auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz vor dem Verwaltungsgericht Erfolg hatte, vermittelt keine Vertrauensschutzposition dergestalt, dass sich Vertrauen im Hinblick auf den gestellten Antrag ergeben kann. Dies gilt auch hinsichtlich des Kostenrisikos in dem Schadensersatzprozess. Die Prozesskosten vor dem Landgericht Berlin führen nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Es verbleibt daher dabei, dass für die Beurteilung des Anspruchs auf Einsicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz, also des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2024, maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Oktober 2009 - 7 C 22.08 - NVwZ 2010, 321 Rn. 33 und vom 22. März 2018 ‌- 7 C 30.15 - Buchholz 404 IFG Nr. 26 Rn. 34).

28 d) Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Bundesrechtsverstoß die Voraussetzungen des § 56 Abs. 5 Satz 1 GWB bejaht. Danach kann die Kartellbehörde Dritten Auskünfte aus den ein Verfahren betreffenden Akten erteilen oder Einsicht in diese gewähren, soweit sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen.

29 aa) Die Klägerin ist Dritte. Solche sind alle nicht nach § 54 Abs. 2 GWB am Verfahren Beteiligten, also auch die Klägerin. Die Klägerin begehrt zudem Einsicht in ein Dokument dieses Verfahrens.

30 bb) Des Weiteren hat die Klägerin mit ihrem Vortrag, die Einsicht in den Beschluss vom 8. April 2014 diene der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 56 Abs. 5 Satz 1 GWB dargelegt.

31 Das Erfordernis des berechtigten Interesses in § 56 Abs. 5 Satz 1 GWB orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23492 S. 112) an der dazu speziell für das Kartellrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 - KVR 55/14 - NJW 2015, 3648). Danach ist ein Anspruch aus allgemeinen rechtsstaatlichen Gründen anzuerkennen, wenn der Antragsteller im Einzelfall ein eigenes, gewichtiges und auf andere Weise nicht zu befriedigendes Informationsinteresse an der Einsicht in Akten der Kartellbehörde, gerade im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Rechten, darlegen kann (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 a. a. O. Rn. 14 ff., 30). Das berechtigte Interesse kann in der Vorbereitung der Durchsetzung möglicher Sekundäransprüche liegen, wenn der am Verwaltungsverfahren nicht beteiligte Dritte zur sachgemäßen Wahrnehmung seiner Rechte auf eine entsprechende Akteneinsicht angewiesen ist. Ausreichend ist dann die Darlegung, dass dem Antragsteller ein Schadensersatzanspruch tatsächlich zustehen könnte (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 a. a. O. Rn. 30, 33). Dem Antragsteller und nicht der Kartellbehörde bleibt die Prüfung vorbehalten, ob die Akteneinsicht Erkenntnisse für einen Erfolg eines Anspruchs auf Schadensersatz ergibt (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2015 a. a. O. Rn. 31).

32 In Übereinstimmung hiermit hat das Oberverwaltungsgericht ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Einsicht in den Beschluss des Bundeskartellamts, die diesen für das von ihr betriebene zivilrechtliche Schadensersatzverfahren nutzen will, festgestellt. Dass der verfahrensgegenständliche Beschluss bereits teilweise veröffentlicht worden ist, lässt ein berechtigtes Interesse der Klägerin unberührt. Für sie sind die Auslassungen und Ersetzungen in dem Beschluss von Bedeutung.

33 Eine weitergehende, auf einzelne Passagen einer Entscheidung des Bundeskartellamts bezogene Darlegungslast sieht § 56 Abs. 5 GWB nicht vor. Zwar könnte dessen Satz 1 für einen Bezug des berechtigten Interesses auf einzelne Aktenbestandteile sprechen. Satz 1 ist aber im Zusammenhang mit Satz 3 zu lesen, der die Einsicht auf Entscheidungen nach den §§ 32 bis 32d sowie 60 GWB begrenzt, soweit sie der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Verstoßes nach § 33 Abs. 1 GWB oder der Vorbereitung dieser Erhebung dienen soll. Daraus lässt sich ableiten, dass - in Konkretisierung von Satz 1 der Norm - eine abschließende Entscheidung insgesamt und das auf sie bezogene berechtigte Interesse in Rede stehen. Typischerweise wäre der Antragsteller auch gar nicht in der Lage, ein berechtigtes Interesse bezogen auf nicht veröffentlichte Passagen darzulegen.

34 Das berechtigte Interesse der Klägerin ist nicht deshalb entfallen, weil das Landgericht Berlin im Urteil vom 2. März 2023 - 16 O 309/17 Kart - einen Schadensersatzanspruch wegen fehlenden Schadens verneint hat. Denn es bleibt offen, ob das Berufungsgericht der rechtlichen Einschätzung der ersten Instanz folgen wird, so dass die Einsichtnahme in den streitgegenständlichen Beschluss für die Klägerin weiterhin von Interesse ist. Auch die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Beschluss vom 12. April 2023 - VI Kart 6/22 (V) – (WUW 2024, 285 <286>) gebietet keine andere Sichtweise. Danach muss der Vortrag eines berechtigten Interesses substantiiert erkennen lassen, aufgrund welcher tatsächlichen Beziehung der Auskunftssuchende die Auskunft oder Akteneinsicht begehrt und für welchen konkreten Zweck er die Auskünfte benötigt. Diesen Anforderungen ist vorliegend aber Genüge getan.

35 Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 fehlt das berechtigte Interesse schließlich nicht, wenn der Schadensersatzkläger sein Interesse nach Maßgabe der §§ 33g, 89c GWB befriedigen kann. Soweit sie eine subsidiäre Anwendung des § 56 Abs. 5 GWB auf die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/23492 S. 112) stützen wollen, ist ihre Bezugnahme unvollständig. Der Gesetzgeber wollte vielmehr die Kohärenz der Regelung mit dem gestuften Offenlegungssystem der §§ 33g, 89c GWB sicherstellen und hat deshalb in § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB den Zugangsanspruch potentieller Schadensersatzkläger auf Entscheidungen nach §§ 32 bis 32d sowie 60 GWB beschränkt. Außerdem wollte der Gesetzgeber eine Klarstellung herbeiführen, in welchen Fällen Akteneinsichtsrechte Dritter neben dem mit §§ 33g, 89c GWB geschaffenen, gestuften Offenlegungs- und Auskunftssystem bestehen. Auch weist der Wortlaut des § 56 Abs. 5 GWB in keiner Weise auf eine subsidiäre Anwendung der Norm hin. Er sieht vielmehr für den Fall der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs Zugang zu Entscheidungen nach den §§ 32 bis 32d sowie 60 GWB vor. Deshalb geht auch die Auffassung fehl, das Einsichtsrecht des § 56 Abs. 5 GWB bestehe bis zur Erhebung einer Schadensersatzklage und danach sei die Einsicht auf die Möglichkeiten der §§ 33g, 89c GWB beschränkt. Die Einsicht soll der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Verstoßes nach § 33 Abs. 1 GWB oder der Vorbereitung dieser Erhebung dienen, also auch während der gerichtlichen Auseinandersetzung über den geltend gemachten Anspruch möglich sein.

36 e) Ein Grund, die Einsicht zu versagen, besteht auf Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils nur für die Fußnote 40, die Sicherheitsvorkehrungen bei der PIN-Eingabe im Rahmen einer electronic cash-Transaktion betrifft.

37 Nach § 56 Abs. 5 Satz 2 GWB gelten die Ausschlussgründe des § 56 Abs. 4 GWB für Akteneinsichtsersuchen Dritter entsprechend. Danach hat die Behörde die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben der Behörde sowie zur Wahrung des Geheimschutzes oder von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, geboten ist.

38 Nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 40) enthält der streitgegenständliche Beschluss durch eckige Klammern mit drei Punkten gekennzeichnete Auslassungen und fünf Ersetzungen von präzisen Zahlenangaben durch ungefähre Angaben oder durch ein Zahlenintervall. Im Berufungsverfahren waren noch 19 Auslassungen sowie vier Zahlenintervalle von Bedeutung. Das Oberverwaltungsgericht hat allein die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hinsichtlich der Auslassung in der Fußnote 40 als einen wichtigen Grund angesehen. Dies ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

39 aa) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht definiert werden, umfassen nach dem hergebrachten öffentlich-rechtlichen Verständnis alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse betreffen dabei im Wesentlichen technisches, Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen (BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 - Buchholz 404 IFG Nr. 32 Rn. 19 unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 ‌- 1 BvR 2087/03 u. a. - BVerfGE 115, 205 <230 f.>; BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 - 10 C 22.19 - NWVBl. 2020, 500 Rn. 13).

40 (1) Die Auslegung des Begriffs des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses hat sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch am gewachsenen Begriffsverständnis des Wettbewerbsrechts zu orientieren (BVerwG, Beschluss vom 25. Juli 2013 - 7 B 45.12 - juris Rn. 10). Sie ist deshalb für eine Fortentwicklung offen, die sich an einer Weiterentwicklung des wettbewerbsrechtlichen Begriffsverständnisses orientiert. Wird dieses nunmehr auch durch das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) auf der Basis der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 S. 1) geprägt, welches gemäß § 1 Abs. 2 GeschGehG auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zur Geheimhaltung, Erlangung, Nutzung oder Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen und damit auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine Anwendung findet, so kann das dort zum Ausdruck kommende Verständnis auf den öffentlich-rechtlichen Begriff nicht ohne Einfluss bleiben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2020 ‌- 10 C 22.19 - NWVBl. 2020, 500 Rn. 16; kritisch Schoch, IFG, 3. Aufl. 2024, § 6 IFG Rn. 101e). Von diesem Maßstab ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen.

41 Nach § 2 Nr. 1 GeschGehG ist ein Geschäftsgeheimnis eine Information, die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist (Buchst. a), die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist (Buchst. b) und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht (Buchst. c).

42 (2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 16; vgl. zu § 2 Nr. 1 GeschGehG auch Hauck, in: MüKo-Lauterbarkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, § 2 GeschGehG Rn. 15 unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-15/16 [ECLI:​​EU:​​C:​​2018:​​464], Baumeister - Rn. 57) sind Geschäftsgeheimnisse nach einem Zeitraum von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich. Der Beteiligte, der sich auf die Vertraulichkeit der Information beruft, muss daher nachweisen, dass die betreffenden Informationen trotz ihres Alters immer noch von wirtschaftlichem Wert sind. Soweit der Beigeladene zu 3 meint, das Oberverwaltungsgericht habe eine zu enge Definition herangezogen, weil die ordentliche Gerichtsbarkeit keine starren zeitlichen Grenzen kenne und deswegen eine Nachweispflicht nach Ablauf von fünf Jahren nicht bestehe, ist ihm nicht zu folgen (vgl. Schneider, in: Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 14. Aufl. 2022, § 56 GWB Rn. 27). Die Fünf-Jahres-Rechtsprechung basiert auf einer tatsächlichen Vermutung, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nach Ablauf von fünf Jahren typischerweise nicht mehr aktuell und deshalb nicht mehr vertraulich sind. Diese Vermutung kann entkräftet werden, indem der Beteiligte, der sich auf die Vertraulichkeit der Informationen beruft, nachweist, dass die betreffenden Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentlich für die wirtschaftliche Stellung des beaufsichtigten Unternehmens oder eines Dritten sind (vgl. EuGH, Urteile vom 14. März 2017 - C-162/15P [ECLI:​​EU:​​C:​​2017:​​205], Evonik - Rn. 64 und vom 19. Juni 2018 - C-15/16, Baumeister - Rn. 54; EuG, Beschluss vom 15. Juni 2006 - T-271/03 - BeckRS 2006, 140066 Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 - 10 C 18.19 - BVerwGE 167, 319 Rn. 15).

43 bb) Hiervon ausgehend liegen nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nur Nachweise für ein fortdauerndes Geheimhaltungsinteresse für die Fußnote 40 vor (UA S. 47). Die Auslassung dort anonymisiert eine Information zur Eingabe der PIN in das Händlerterminal bei Durchführung einer electronic cash-Transaktion, was nach bundesrechtlich nicht zu beanstandender Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ein Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 1 GWB unter Berücksichtigung des § 2 Nr. 1 GeschGehG darstellt. Die Anonymisierung weist auf eine Information hin, die auch Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit Informationen dieser Art umgehen, nicht allgemein bekannt und die Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen ist. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es bestehe nach wie vor ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Information, weil es sich um nähere Erläuterungen zu einem technischen Vorgang handele, für den Erwägungen zu den Änderungen des Marktumfeldes seit dem Jahr 2014 keine Bedeutung hätten, begegnet ebenfalls keinen bundesrechtlichen Bedenken, zumal auch die Klägerin das schützenswerte technische Know-how und die schützenswerten Sicherheitsanforderungen nicht in Abrede stellt, sondern nur bezweifelt, dass solche Informationen im Beschluss des Bundeskartellamts enthalten sind.

44 Nach den weiteren bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts sind die Informationen in den Auslassungsstellen, die das Dokument "ZKA Langfrist Roadmap" betreffen, unter Zugrundelegung des Datums des Beschlusses des Bundeskartellamts nahezu zehn Jahre alt und bedürfen keines Schutzes mehr. In dieser Übersicht sind grundlegende strategische Überlegungen, die innerhalb der Deutschen Kreditwirtschaft formuliert wurden, zusammengefasst. Der Vortrag des Beigeladenen zu 3 zeigt nicht auf, warum ein Geheimhaltungsinteresse insbesondere bei den Auslassungen hinsichtlich der Gebühren und Kosten noch immer bestehe. Das gleiche gilt für die sonstigen Auslassungen und die vier Zahlenintervalle.

45 f) Das Oberverwaltungsgericht hat für den vorliegenden Einzelfall einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Einsicht in das streitgegenständliche Dokument unter Ausschluss der Fußnote 40 bejaht, obgleich die Einsicht nach § 56 Abs. 5 Satz 1 GWB im Ermessen des Bundeskartellamts steht. Diese Auffassung führt nicht auf einen Bundesrechtsverstoß.

46 Die Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, die das berechtigte Interesse der Klägerin an der Einsicht tragen und der Einsicht entgegenstehende Ausschlussgründe verneinen, prägen vorliegend auch die Annahme der Ermessensreduzierung auf Null. Bislang im Zuge der Anwendung des § 56 Abs. 5 GWB nicht durchgreifend berücksichtigte gegenläufige Interessen haben kein solches Gewicht, dass eine Reduzierung der Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Zugangsgewährung und in Bezug auf die Art und Weise der Einsicht ausgeschlossen wäre. Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, im anhängigen Schadensersatzprozess allein die Rechte nach §§ 33g, 89c GWB geltend zu machen. Zutreffend weist das Oberverwaltungsgericht auch darauf hin, dass mit der Herausgabe des Beschlusses im tenorierten Umfang aufgrund der bereits erfolgten anonymisierten Veröffentlichung kein besonderer Aufwand mehr verbunden ist. Ein geringer Verwaltungsaufwand steht in einem solchen Fall dem Informationszugang nicht entgegen (vgl. auch Bracher, in: Jaeger/​Kokott/​Pohlmann/​Schroeder/​Seeliger, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Stand Februar 2025, § 56 GWB Rn. 40). Soweit der Beigeladene zu 3 meint, das Informationsinteresse müsse das entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse erheblich überwiegen, ist dem nicht zu folgen. Er bezieht sich auf das erhebliche Überwiegen in Bezug auf § 476 StPO, der Auskünfte und Akteneinsicht zu Forschungszwecken regelt. Forschungszwecke spielen hier jedoch keine Rolle.

47 3. Das Oberverwaltungsgericht hat den Anspruch auf Einsicht in die übrigen Dokumente zutreffend mangels Rechtsgrundlage verneint. Wenn die Akteneinsicht der Erhebung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Verstoßes nach § 33 Abs. 1 GWB dienen soll, ist der Anspruch gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB auf Einsicht in Entscheidungen nach den §§ 32 bis 32d sowie 60 GWB begrenzt, also hier auf den Beschluss des Bundeskartellamts vom 8. April 2014. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB nicht unionsrechtswidrig. Die effektive Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen wird nicht erheblich beeinträchtigt.

48 Das Oberverwaltungsgericht sieht § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB mit Recht nicht im Widerspruch zu der Kartellschadensersatzrichtlinie (UA S. 51). Für das Begehren, außerhalb eines kartellrechtlichen Schadensersatzverfahrens Zugang zu weiteren kartellbehördlichen Unterlagen zu erhalten, gibt die Richtlinie nichts her. Wie bereits ausgeführt, regelt sie nach Art. 5 und 6 Offenlegungsanordnungen der nationalen Gerichte im Rahmen von Schadensersatzklagen und erfasst nicht einen an eine Verwaltungsbehörde gerichteten Antrag, wie er hier vorliegt. Der Effektivitätsgrundsatz wird nicht verletzt, weil die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird. Dies zeigt auch der vorliegende Fall. So konnte die Klägerin Klage erheben und den von ihr angenommenen Schaden beziffern. Dass Kartellgeschädigte im Rahmen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen darauf verwiesen werden, den Akteninhalt vor Erhebung einer Schadensersatzklage bis auf in § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB genannte Entscheidungen nach §§ 33g, 89c GWB in Erfahrung zu bringen, verstößt nicht gegen die Kartellschadensersatzrichtlinie, sondern entspricht dem durch sie vorgegebenen Konzept.

49 Soweit die Klägerin das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 2022 - C-163/21 [ECLI:​​EU:​​C:​​2022:​​863], Paccar – (Rn. 62) zitiert, folgt daraus nichts für eine Unionsrechtswidrigkeit des § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB. In dieser Entscheidung hat sich der Gerichtshof nicht dazu verhalten, inwieweit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Einsicht in die Kartellverfahrensakte gewährt werden muss, sondern dazu, ob die Verpflichtung zur Offenlegung von Beweismitteln deren Existenz voraussetzt.

50 Anlass, dem Europäischen Gerichtshof die von der Klägerin aufgeworfene Frage
"Ist Art. 101 AEUV unter Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes und Art. 47 GRCh so auszulegen, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der unmittelbare, außerhalb eines zivilgerichtlichen Rechtsstreits bestehende Anspruch von potentiell Geschädigten auf Einsicht in die Verfahrensakte der mitgliedstaatlichen Kartellbehörde auch dann auf die verfahrensabschließende kartellbehördliche Entscheidung beschränkt ist, wenn diese keine Bindungswirkung gegenüber mitgliedstaatlichen Zivilgerichten in Rechtsstreitigkeiten über Kartellschadensersatz entfaltet?"
zur Vorabentscheidung vorzulegen, besteht nicht. Die Voraussetzungen des Art. 267 AEUV sind nicht erfüllt. Die Kartellschadensersatzrichtlinie sieht keinen direkten Aktenzugang zu den Behörden vor. Die Sperrwirkung des § 56 Abs. 5 Satz 3 GWB verstößt nicht gegen sie. Unionsrechtliche Fragen zu Art. 101 AEUV unter Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes und Art. 47 GRCh stellen sich daher nicht.

51 4. Der Hilfsantrag bleibt nach den obigen Ausführungen ohne Erfolg.

52 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Beigeladene zu 3 war als drittbeteiligter Revisionsführer an den Kosten zu beteiligen. Legt der unterlegene Hauptbeteiligte - hier die Beklagte - kein eigenes Rechtsmittel ein, so trägt der rechtsmittelführende Drittbeteiligte auch dessen Kosten aus dem Rechtsmittelverfahren. Die Beklagte hat hier keine Veranlassung für die Revision des Beigeladenen zu 3 gegeben, sondern ist in dem vom Beigeladenen zu 3 angegriffenen Punkt durch die Vorinstanzen verurteilt worden. Lässt sie es dabei bewenden und einen anderen für sich kämpfen, so kann sie sich durch das Nichtstellen eines - hier: auf den Erfolg dieser Revision gerichteten - Antrags vor Kosten bewahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1993 - 3 C 45.91 - NJW 1994, 3024 <3027>; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 154 Rn. 6).